Mit seltenem Stargast

MANNHEIMER SCHILLERTAGE JETZT AUCH IM KINO

Seit langem arbeiten das Nationaltheater Mannheim und die Filmtheaterbetriebe Spickert gut zusammen, seit letztem Winter bieten sie sogar ein gemeinsames Abo für Theater- und Kinobesuche an. Für die Schillertage kooperieren die beiden Institutionen jetzt auch inhaltlich und das Cineplex wird zum ersten Mal zur Festival-Spielstätte: Am 18. Juni um 11 Uhr läuft im Rahmen des offiziellen Festival-Programms die Aufzeichnung der viel beachteten Don-Carlos-Inszenierung vom Wiener Burgtheater. Anschließend diskutieren Burkhard C. Kosminski und die Regisseurin Andrea Breth.

Foto: Burgtheater Wien

„Don Carlos“ gilt als das vielleicht politischste Drama Friedrich Schillers. Warum haben Sie sich entschieden, die Film-Aufzeichnung dieser Inszenierung von Andrea Breth am Wiener Burgtheater im Rahmen der Internationalen Schillertage in Mannheim zu zeigen?

Burkhard C. Kosminski: Das Stück ist absolut modern und beschreibt die Mechanismen eines Staatsapparates sehr genau. Da regiert ein autokratischer Herrscher, der alle Fäden in der Hand hält und dennoch überall Verrat wittert. Um ihn herum wuseln Karrieristen und Ehrgeizlinge, die nachfolgende Generation steht in den Startlöchern und fordert politische Teilhabe und Gedankenfreiheit. Das alles ist zeitlos.

 

Was zeichnet die Aktualität von Don Carlos aus?

Burkhard C. Kosminski: Die politische Klasse, die hier vorgeführt wird, ist in ein Machtsystem eingezwängt, das die freie Entfaltung des Einzelnen verhindert. Die Menschen unterliegen einer ständigen Kontrolle und Selbstkontrolle, das ist in einem heutigen Politiker-Leben auch nicht viel anders. Und dann gibt es noch die private Dimension: Ehen werden aus politischen Gründen geschlossen, die Frauen haben ihre Rollen im Polit-Zirkus zu erfüllen. Familienleben wird in der Öffentlichkeit zelebriert, ein Phänomen, das die aktuelle amerikanische „First Family“ in extremer Form verkörpert.

 

Worin liegt der visuelle Reiz dieser Inszenierung?

Burkhard C. Kosminski: Der Bühnenbildner Martin Zehetgruber hat einen grandiosen Raum geschaffen, der auf der großen Kino-Leinwand eine ganz eigene Faszination erzeugt. Das Machtzentrum ist eine gläserne Schaltzentrale. Gespielt wird in mehreren verglasten Kuben, dazwischen lange, ausweglose Gänge. Ständig sieht man schattenhafte Gestalten, die schauen, lauschen, spitzeln. Eine Privatsphäre existiert in diesem Labyrinth nicht, wir erleben einen modernen Überwachungsstaat. Aber die unruhige Welt außerhalb des Regierungssitzes bricht in diesen luftleeren Raum ein – man sieht Teile eines Pferdekadavers, revoltierende Bürger, Tote. Es riecht nach Aufständen, politischem Aufbegehren, Umsturzversuchen. Eine Welt im Aufruhr. Der Abend ist nicht nur ein großes Denkvergnügen, sondern auch ein reizvolles Seherlebnis.

 

Gibt es für den Kinogänger ein Wiedersehen mit Stars?

Burkhard C. Kosminski: Viele Schauspieler sind wohl bekannt und laufen hier zu Hochform auf: Sven-Eric Bechtolf, Philipp Hauß, Elisabeth Orth, die 2008 mit einem Bambi ausgezeichnete Johanna Wokalek (Der Baader-Meinhof-Komplex) und Nicholas Ofczarek (Tatort) machen die Inszenierung zu einem Erlebnis.

 

Andrea Breth gehört seit vielen Jahren zu den wichtigsten Regisseurinnen des europäischen Theaters. Was ist das Charakteristische ihrer Arbeit?

Burkhard C. Kosminski: Andrea Breths Inszenierungen schaffen Freiräume im Kopf. Mit großer Ernsthaftigkeit begibt man sich auf eine Reise – oft auch in die Abgründe der Seele –, immer auf der Suche nach dem großen, echten Gefühl. Man begreift, dass man für seine Träume bezahlen muss und doch nicht ohne sie leben kann. Sie setzt ganz auf ihre wunderbaren Schauspieler und bringt sie zum Leuchten, eine ganz seltene Qualität. Und dann ist Andrea Breth in der Lage, das Zeitlose aus jedem Stoff herauszudestillieren. Ohne vordergründig zu aktualisieren, erfindet sie neue Umsetzungen. Die Stücke scheinen wie für das Heute geschrieben. Wir erleben beim „Don Carlos“ kein Historienspiel, sondern hochspannendes zeitgenössisches Theater.

 

Sie gehen als Schauspiel-Intendant von Mannheim nach Stuttgart. 2017 sind ihre letzten „Schillertage“. Ist die Veranstaltung im Cineplex auch unter diesem Gesichtspunkt etwas Besonderes für Sie?

Burkhard C. Kosminski: Es ist für das Cineplex und die Schillertage wirklich eine große Ehre, dass Andrea Breth nach Mannheim kommt und im Anschluss an den Film im Gespräch mit mir über ihre Inszenierungsarbeit spricht. In einem ähnlichen Format zu ihren Schiller-Inszenierungen war sie bisher nur 2005 aus Anlass eines Schiller-Symposiums an der Princeton-University zu erleben. Ich freue mich wirklich sehr auf diese Begegnung und darauf, dem Mannheimer Publikum zu meinen letzten Schillertagen eine so besondere Veranstaltung präsentieren zu können.

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