Burkhard C. Kosminski gibt Antworten

DIE STADT IST DURCHAUS VERWÖHNT

Burkhard C. Kosminski ist bereits seit 2006 am Nationaltheater, zuerst als Schauspieldirektor sowie auch als Schauspielintendant und Betriebsleiter. Nach nun fast 10 Jahren in Mannheim scheinen ihm die Stadt und Ihre Menschen zu gefallen. CARPET ROUGE fragte ihn zu aktuellen Fragen des Theaters in der Stadt, auf den Bühnen und auf der Leinwand.

Foto: Hans-Jörg Michel

Was hält Sie an Mannheim?

Burkhard C. Kosminski: Mannheim hat Flair. Die viel beschriebene Multikulturalität und Vielfalt der Stadt zu loben ist ja fast schon ein wenig abgedroschen, aber es stimmt und ist einfach genau das, was mich an Mannheim als Heimat- und Kreativort reizt und hält. Es gibt hier keinen Stillstand, die Stadt mit ihren Strukturen und Gewohnheiten ändert sich ständig. Diese Veränderung ist das, was uns am Theater umtreibt und Motor für unsere Arbeit ist.

Wie empfinden Sie die Verbundenheit der Mannheimer mit kulturellen Einrichtungen wie dem NT?

Kosminski: Wir haben hier die treuesten, aber trotzdem kritischsten Zuschauer, die man sich als Theatermacher wünschen kann. Dass das Theater nach dem Krieg mit großer Unterstützung der Bürgerschaft wiederaufgebaut wurde, steckt noch heute in den Mannheimern und macht sie auch stolz auf das Nationaltheater. In Gesprächen mit unseren Zuschauern merke ich immer wieder, dass sehr viele auch sehr persönliche Erlebnisse mit dem Theater haben und diese Verbundenheit mit dem Haus ist für uns ein großes Geschenk. Natürlich dürfen wir uns darauf nicht ausruhen und müssen unsere Arbeit für die Stadt immer neu hinterfragen. Aber die Basis stimmt. Theater für eine Stadt zu machen, die sich mit einem Haus verbunden fühlt, macht großen Spaß.

Wird das kulturelle Angebot von der Bevölkerung genug geschätzt?

Kosminski: Mannheim ist für die Größe der Stadt durchaus verwöhnt, was das kulturelle Angebot angeht. Wir haben hier großartige Museen, Kinos, Festivals und neben dem Nationaltheater auch einige freie Theater, die ein tolles Programm machen. Wenn man dieses Angebot gewöhnt ist, kann man es schnell als selbstverständlich ansehen. Genutzt und auch geschätzt wird das kulturelle Angebot aber trotzdem von den Mannheimern. Das sehen wir natürlich insbesondere an den Zuschauerzahlen. Im Schauspiel des Nationaltheaters waren es in der vergangenen Spielzeit die besten seit 24 Jahren.

Sie polarisieren gerne und sind ein Macher. Mit einem offenen Brief an das Bundesministerium beklagen Sie den Bedeutungsschwund der Kultur. Was treibt Sie um?

Kosminski: Mich treibt die Frage um, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Das betrifft mich zum einen ganz privat mit der Sorge um das gemeinschaftliche Miteinander für die nächsten Generationen, aber auch beruflich als Theatermacher. Gesellschaft braucht Kultur als Raum für Diskurs, als Impulsgeber und durchaus auch als kritische Stimme. Allerdings drehen sich viele Diskussionen nur noch um Kosten von Kultur und man verbringt sehr viel Zeit damit, die finanzielle Grundsicherung zu wahren. Das lenkt ab vom eigentlichen Auftrag: Kunst zu machen. In Mannheim haben wir es vergleichsweise wirklich sehr gut: Im Herbst wurde vom Gemeinderat ein 5-Jahresplan verabschiedet und das Land Baden-Württemberg hat die Mittel für das Nationaltheater erhöht. Ich finde es sehr beeindruckend, wie sich die regionale Politik, allen voran Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz und Kulturbürgermeister Michael Grötsch, parteiübergreifend hinter ihr Haus gestellt hat. Und dass die Landesregierung unter der Initiative von Ministerin Theresia Bauer 2 Millionen Euro in ein Theater investiert, das ist schon eine Besonderheit heutzutage. Aber im Gesamten gesehen finde ich die Diskussion über den monetären Gegenwert von Kultur zunehmend zynisch und würde mir wünschen, dass dem großen gesellschaftlichen Nutzen von Kultur und auch Bildung wieder ein größerer Stellenwert beigemessen wird.

Steht denn das Theater vor einem großen kulturellen Wandel?

Kosminski: Das Theater ist immer in Veränderung. Form, Inhalte, Spielformen oder auch Autorenschaft verändern sich fortwährend. Dieser Wandel vollzieht sich nicht ruckartig, sondern kontinuierlich. Was aber genauso wichtig ist wie der Mut zur Veränderung, ist die Bindung eines Theaters an die Stadt. Nur mit diesen lokalen Bezügen und Verankerungen kann man meiner Ansicht nach auch eine überregionale Strahlkraft schaffen.

Wie wichtig sind denn lokale Kooperationen mit kulturellen Einrichtungen, wie zum Beispiel einem Kino?

Kosminski: Kooperationen mit anderen Kultureinrichtungen sind für uns sehr wichtig. Im Schauspiel arbeiten wir zum Beispiel regelmäßig mit der Alten Feuerwache, der Kunsthalle oder auch freien Theatern wie TiG7 oder Zeitraumexit zusammen. Mit Cinema Quadrat kooperieren wir immer wieder bei Festivals, kürzlich gerade beim 2. Bürgerbühnenfestival. Diese Vernetzung mit lokalen Partnern ist mir sehr wichtig, man kann auch immer wieder viel voneinander lernen.

Empfinden Sie Kino als kulturellen Mitstreiter und sinnhafte Ergänzung des Kulturangebots oder als Konkurrenz?

Kosminski: Keine Konkurrenz, eine Inspiration – und das wechselseitig! Es kommt ja nicht von ungefähr, dass viele Kinostoffe es auch ins Theater schaffen und Theaterstücke sich auf der Leinwand wiederfinden. Ich konnte zum Beispiel 2001 in Düsseldorf die Uraufführung von „Dancer in the Dark“ von Lars von Trier im Theater inszenieren. Weitere Beispiele sind „Das Fest“ oder auch „Lilja 4-ever“, was wir 2008 in Mannheim gemacht haben. Andersrum inspirieren die Bühnenstücke oft auch den Film. 2008 habe ich in Mannheim die europäische Erstaufführung von „Eine Familie / August: Osage County“ inszeniert. Das Stück ist in den USA an allen großen Bühnen gespielt worden und war auch hier ein großer Erfolg. Vier Jahre später kam es dann in einer Verfilmung unter anderem mit Julia Roberts in die Kinos.

Mannheim ist der Vorreiter bei alternativer Bespielung der Kinos. Gerade Schauspiel-Liveübertragungen vom National Theatre London ist einer der Publikumslieblinge. Wundert Sie das?

Kosminski: Nein. In den Inszenierungen stehen oft sehr berühmte Schauspieler auf der Bühne. Das Interesse, diese abseits von Blockbustern in gefühlt intimerem Rahmen in einer Theaterinszenierung auf der Leinwand zu sehen, finde ich nicht verwunderlich.

Mit „Hamlet“ steht am 15.10.2015 Benedict Cumberbatch auf der Bühne, der aus großen Hollywood-Blockbusterfilmen bekannt ist. Das Cineplex überträgt live und die Nachfrage im VVK ist riesig. Ist das ein neues Geschäftsmodell des Schauspiels?

Kosminski: Ja und nein. Natürlich ist es toll, wenn man über solche Wege Zuschauer für Theater begeistert. Aber die ganz große Besonderheit von Theater ist ja, dass es live passiert, dass man als Zuschauer ganz nah und direkt dran ist – ohne Leinwand dazwischen. Die Übertragungen können kein Ersatz sein für Theater, aber eine Ergänzung. Denn wer hat schon die Möglichkeit, vor Ort in London im National Theatre dabei zu sein? Hier vor Ort in Mannheim glaube ich nicht daran, dass das ein neues Geschäftsmodell für uns sein kann. Da ist das Erlebnis unmittelbarer für die Zuschauer, wenn sie direkt zu uns ins Theater kommen.

Wie kann eine profilierte Bühne vor Ort von einer solchen Entwicklung profitieren?

Kosminski: Unser hiesiges Publikum kommt durch solche Übertragungen mit internationalen Theaterarbeiten in Berührung. Ich empfinde das durchaus als eine Sehschule, in der unser weltoffenes Publikum neue Formen oder Ästhetiken kennenlernt. Ich finde das wunderbar, wenn das Publikum abseits von internationalen Festivals wie zum Beispiel unseren Schillertagen die Möglichkeit bekommt, internationales Theater zu gucken.

 Die Fragen stellte Frank Noreiks

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