DER SCHNITTMENGENSUCHER
Das Historische Museum der Pfalz in Speyer ist in seiner Ausrichtung einmalig in Deutschland. Schon vor Jahren hat das Museum seine Türen am Speyerer Domplatz weit aufmacht, mit publikumsnahen und eventorientierten Ausstellungen. Die Besucherzahlen sind für Museumsmacher nahezu berauschend. Seit kurzem heißt der neue Mann an der Spitze des Historischen Museums der Pfalz Dr. Alexander Schubert.
Der blond gelockte Historiker ist in Mannheim und der Kurpfalz kein Unbekannter und hat sich in den vergangenen acht Jahren als rechte Hand des Chefs am Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum als Kulturmanager und Ausstellungskurator einen sehr wohlklingenden Namen gemacht. Schubert steht für emotionale und pfiffig-mitreißende Konzepte im Umgang mit der Präsentation von Geschichte. Und er versteht sich als begeisterter Netzwerker sowie als kreativer Forscher nach gemeinsamen Schnittmengen. Zusammen mit den Kreativen der Mannheimer Kinos CinemaxX und Cineplex bastelt Schubert gerade an einem großen Kooperationskonzept rund um das Thema „Titanic“, deren Schicksal das Pfalz-Museum ab Dezember eine große Themenausstellung widmet. Die Kooperation liegt nahe, ist aber nicht selbstverständlich. Mit CARPET ROUGE plauderte Dr. Alexander Schubert über ein großes Erbe, neue Ideen und das Potenzial von Kultur.
Wie fühlt es sich an, nicht mehr in Mannheim zu arbeiten?
Dr. Alexander Schubert: Wenn man was Neues anfängt, lässt man immer auch etwas zurück. In den vergangenen acht Jahren habe ich in Mannheim viele Kooperationen pflegen dürfen und da gab es in den letzten Mannheim- Wochen auch ein weinendes Auge. Hier in Speyer bin ich gleich voll in den Workflow reingekommen und schaue nach vorne. Durch die Nähe lässt sich ja auch Vieles an guter Zusammenarbeit fortsetzen, nicht zuletzt mit den Kinos. Die bestehenden Vernetzungen kann man ausbauen. Das ist das Schöne an der Metropolregion.
Gab es schon Pläne für die Titanic-Ausstellung und die Kooperation mit den Mannheimer Kinos als Sie nach Speyer kamen?
Dr. Alexander Schubert: Ja, das Thema habe ich ganz klar übernommen. Alle Weichenstellungen waren schon getroffen; so eine Ausstellung kann man nicht in wenigen Wochen organisieren. Wir haben das Titanic- Konzept noch ergänzt und legen einen Schwerpunkt auf individuelle Schicksale. Es gibt sogar einen Pfälzer „Lokal-Helden“, Isidor Straus aus Otterberg, der in den USA erfolgreicher Unternehmer und Politiker wurde und mit seiner Frau bei dem Unglück umkam.
Können Sie sich erklären, warum bei dem Titanic-Unglück weniger Menschen gerettet wurden, als hätten gerettet werden können?
Dr. Alexander Schubert: Der Technikglaube jener Zeit spielte sicher eine immense Rolle. Wenn Sie diese Frage interessiert, sollten Sie sich unbedingt die Ausstellung ansehen!
Durch die neuesten Bergungsfunde kommen wir sehr nah an viele Erinnerungen heran. Das ist ein Teil der Faszination.
Wie passt die Kooperation mit dem Kino ins Konzept?
Dr. Alexander Schubert: Als Museumsleiter stehen einem verschiedene Herangehensweisen zur Verfügung. Man kann das Museum als Musenhort sehen und erwarten, dass die Leute eine
gewisse Vorbildung mitbringen oder man kann nach gesellschaftlichen Anknüpfungspunkten suchen. Ich versuche grundsätzlich, jedes Thema in ein Netzwerk einzubinden und gemeinsame Schnittmengen mit
Partnern zu finden. Über die letzte Fahrt der Titanic gibt es mehrere Spielfilme und Dokumentationen. Da liegt eine Kooperation sehr nahe.
Der sprichwörtliche museale Elfenbeinturm ist nicht Ihr Ding. Was inspiriert Sie neue Wege zu gehen?
Dr. Alexander Schubert: Es gibt keine Lehrbücher zu meinem Arbeitsansatz. Schnittmengen zu finden ist bereichernd. Die Philosophie dahinter ist, vom Publikum her zu denken. Viele
Besucher kommen von außerhalb und unser Ziel muss es sein, ein Gesamterlebnis zu bieten. Dazu brauchen wir Partner, Eventpartner, aber zum Beispiel auch Partner für Kulinarisches. Das ist die
Idee.
Wie wird dieser Konzeptansatz bei der Titanic-Ausstellung aussehen?
Dr. Alexander Schubert: Mit der Eintrittskarte bekommen Sie eine Bording Card, die die Biografie eines Passagiers enthält. In diese Rolle schlüpfen Sie dann. Es kann sein, dass Sie überlebt haben oder ertrunken sind. Als Passagier gehen Sie durch die Ereignisse. Und es wird einen echten Eisberg geben, der auch wächst. Wer den Film gesehen hat, lernt in der Ausstellung die Situation an Bord kennen, wie sie wirklich war.
Ist der Film historisch authentisch?
Dr. Alexander Schubert: Ich werde definitiv einer der ersten sein, der das Kombi-Angebot Film / Ausstellung wahrnimmt. Soweit ich weiß, war die Biografiearbeit der Filmemacher ziemlich gut. Es wird also Wiedererkennungseffekte geben.
Themen vom Publikum her denken und nach Netzwerkpartnern sowie Schnittmengen suchen, ist das eine Ansage auch für die Zukunft?
Dr. Alexander Schubert: Definitiv. Wir werden immer wieder nach Zusammenarbeit suchen, um gemeinsam ungewöhnliche Ideen zu entwickeln. Schon einige meiner Vorgänger hier haben in
diese Richtung gedacht und dieser Ansatz prägt zentral meine Arbeitsweise.
Steckt hinter diesem konzeptionellen Ansatz auch ein neuer Begriff von Kultur?
Dr. Alexander Schubert: Wenn wir viele Menschen erreichen wollen, müssen wir dazulernen, auch zum Beispiel von den Freizeitparks, natürlich ohne aus den Museen plötzlich
Disneyland zu machen. Mit Inszenierungen Neugierde wecken, darum geht es. Und es geht auch darum, Identität zu stiften beziehungsweise bewusst zu machen.
Wollten Sie immer schon Geschichte vermitteln?
Dr. Alexander Schubert: Ich habe ursprünglich auf Lehramt studiert, habe aber schon früh festgestellt, dass die Einengung auf einen Lehrplan nichts für mich ist. Ich wollte mir
mit einem Thema ein Publikum suchen. Erfolge wie die Geschichtsschau zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, die ich in Magdeburg begleiten durfte, die Dynastie-Ausstellungen zu den
Staufern oder den Wittelsbachern, die in den Reiss-Engelhorn-Museen gezeigt wurden, und die Hundertausende angezogen haben, haben mich auf diesem Weg bestätigt.
Sind die Kurpfälzer ein besonders dankbares Publikum?
Dr. Alexander Schubert: Die Leute hier sind sehr heimatverbunden, sind stolz und selbstbewusst. Dadurch rennt man offene Türen ein mit historischen Themen. Das hat viel Charme.
An einer gemeinsamen Identität mitarbeiten macht Spaß.
Gibt es Wünsche für die Zukunft?
Dr. Alexander Schubert: Museen sollten als außerschulische Lernorte stärker berücksichtigt werden. Da gibt es in Deutschland Nachholbedarf. Da eine stärkere Verzahnung
hinzubekommen, wäre sehr, sehr wünschenswert.
Welchen Film hat sich Alexander Schubert zuletzt angesehen?
Dr. Alexander Schubert: Den neuen Affen- Film. Ich bin Fan der Planet-der-Affen-Filme. Und ich gucke mir alle Superhelden-Filme an.
Welcher Super-Held ist Ihr Hero?
Dr. Alexander Schubert: Spiderman!
Die Fragen stellte Herbert W. Rabl.
Fotos: Frank Noreiks