Gespräch mit Rudolf Kowalski über sich, Mannheim und die Zukunft des Kinos

JA, DER HERR HAMLET

Rudolf Kowalski (67) gehört irgendwie bis heute zu Mannheim. Hier am Nationaltheater war er mehrere Jahre engagiert und die Mannheimer liebten ihn. Gewohnt hat er immer in der Innenstadt, erst in kleinen Wohnungen in B 1, dann in H 3 und später mit seiner Frau in der Karl-Ludwig-Straße. In Mannheim hat er seine Frau, die Schauspielerin Eva Scheurer, kennengelernt. CARPET ROUGE traf Rudolf Kowalski in Bonn und plauderte mit dem Film- und Fernsehstar über Vieles aus der Szene.

Fotos: Herbert W. Rabl

Sie sind Theaterschauspieler. Wollten Sie schon immer zum Film?

Rudolf Kowalski: Nein, Bühne und das Filmen haben sich erst später vermischt. Bühne war Bühne und Fernseher war Igitt. Das machte man nicht als anständiger Schauspieler. Ich hab’ es mir schwer erkämpft, dort mitmachen zu dürfen.

Wie lange waren Sie in Mannheim am Nationaltheater?

Kowalski: Ich bin über 5 Jahre geblieben. Mit Jürgen Bosse (Anmerkung der Redaktion: Schauspieldirektor am Nationaltheater von 1977 bis 1988) habe ich sieben oder acht Jahre zusammen gearbeitet.

Wissen Sie, dass man Sie noch kennt in Mannheim, und in bester Erinnerung hat?

Kowalski: Das ist wohl so und das freut mich auch. Ich war mal zu Besuch in Mannheim nach etwa 10 Jahren. In der Gegend vom Bahnhof geh’ ich zu einem kleinen Kiosk. Da begrüßt mich die Dame im Kiosk mit den Worten: „Ja, der Herr Hamlet“. Das war sehr schön. Was Mannheim betrifft, bin ich schon etwas sentimental. Das war eine meiner wichtigsten Zeiten.

Sie kennen das Sprichwort von Mannheim: Wenn man nach Mannheim kommt weint man zweimal, einmal wenn man kommt und einmal wenn man geht. War das so?

Kowalski: Ja, genau so war das. Am Anfang habe ich noch gedacht, ich muss mehr Gage verlangen, um in dieser Stadt zu leben. Doch ich habe mich absolut akklimatisiert in Mannheim. Der Unterschied zu Bonn ist, die Mannheimer lieben ihr Theater, auch wenn sie nicht hin gehen. Sie wissen alle, wo es ist und sie adoptieren gewissermaßen ihre Schauspieler und Sänger.

Ist Deutschland ein Theater-, Film- oder Fernsehstandort?

Kowalski: Ich glaube nicht, dass Deutschland überhaupt ein Standort ist, weil die Position zu oft wechselt. Und die Fernsehmacher schielen doch sehr auf die Quote. Da wird auch Viel verschlafen. Die Kids schauen Filme wann sie wollen und orientieren sich nicht nach Sendezeiten. Die ganze Diskussion um Formate und Schemata ist im Grunde sekundär. Inhalte sind wichtiger. Die Zeiten, in denen 20:15 Uhr der Fernsehabend beginnt, sind vorbei.

Was halten Sie davon, dass zunehmend Oper, Ballett, sogar Schauspiel von den Weltbühnen als Live-Übertragung im Kino gezeigt wird?

Kowalski: Ich sehe das sehr skeptisch.

Warum?

Kowalski: Weil abgefilmtes Theater niemals das ist, was Theater wirklich ist. Vielleicht bin ich da etwas zu konservativ. Was Theater ausmacht ist der unwiederbringliche Moment, der nie wiederholt werden kann. Der ist für alle Jahrtausende weg, ins All geschossen. Ich bin skeptisch, aber ich sehe es durchaus mit Wohlwollen, dass sich die Sparten mischen. Dass also die Theaterinstallation, Oper, Ballett oder Schauspiel auch im Kino zu sehen sind. Dass es keine klaren Grenzen mehr gibt, das finde ich im Grunde ganz ok. Für’s Kino, glaube ich, hat die Dokumentation eine große Chance.

Wo geht die Reise hin für’s Theater, für’s Kino? Wie sieht es aus mit der Kinokultur? Wird das alles gefressen vom Internet?

Kowalski: Vom Internet eher weniger, eher von den Schulden. Wenn es nach Kommunalpolitikern geht, ist das Hallenbad wichtig und vor allem ist dessen Ausbau zum Spaßbad wichtig. Ich weiß nicht, warum alle Leute baden müssen. Aber das Theater muss einsparen. Ich weiß nicht, warum wir alle so viel sparen. Und ich weiß nicht, wo das gesparte Geld hin geht. Die Leute sparen Zeit und haben trotzdem keine. Die Leute sparen dauernd Geld und alle Kommunen sind arm.

Welcher Geist sollte am Theater oder am Film-Set herrschen?

Kowalski: Auch Fehler müssen erlaubt sein. Proben heißt ausprobieren, Fehler machen, aussortieren. Wenn ich das nicht mehr darf, weil sonst meine Existenz gefährdet ist, dann muss ich den Beruf aufgeben. Dann muss ich nur das machen, was erprobt ist, was die Leute kaufen. Wenn Pina Bausch sich damals darum gekümmert hätte, was sie verkaufen kann, hätte sie niemals so wunderbare Kunst machen können.

Kann das Kino zu einem Qualitätsgedanken, wie Sie ihn gerade formuliert haben, etwas beitragen?

Kowalski: Ja, gute Filme zeigen. Wagnisse eingehen, zum Beispiel der Film „Victoria“ (Anmerkung der Redaktion: Deutscher Bankraub-Film in nur einer Kamera-Einstellung, erhielt auf der Berlinale im Februar den Silbernen Bären und wurde ausgezeichnet mit dem Deutschen Filmpreis 2015). Ich hab’ das gesehen und das ist toll.

Was halten Sie zum Beispiel von einer Aktion wie den „Billie Award“, ein Jugendfilmpreis für Kurzfilme, den wir in Mannheim aktuell auflegen und mit dem wir Kinder und Jugendliche animieren wollen, eigene Film-Ideen oder gar eigene auf dem Handy gedrehte Filme einzureichen.

Kowalski: So etwas finde ich wunderbar. Das, was Sie da beschreiben, gab’s schon mal. „Schreib’ ein Stück“ hieß das damals beim SDR. Da hab’ ich mitgemacht und Herr Karasek hat’s verrissen. So etwas gab’s und ich fand das sehr ermutigend.

Das Kino soll also mal ganz ungewöhnliche Projekte wagen?

Kowalski: Genau. Ein Filmfestival? Welcher Stadt kann das schaden? Man muss nur die Kinos dafür haben. Wenn die überall geschlossen werden und Aldis reinkommen, ist das schlecht.

Was zieht Sie ins Kino?

Kowalski: Naja, ich mag keine deutschen Komödien, keine Horror-Filme und ich mag Blockbuster nicht wirklich, auch wenn man das mal machen kann, so zur Entspannung. Es hängt ganz stark vom Thema ab und von den Schauspielern. „Lenny“ mit Dustin Hoffmann halte ich für seinen besten Film. Die Serie „Borgen“ aus Dänemark hat mich begeistert. Da habe ich Folge für Folge geguckt, hintereinander weg.

Ist das Kino eine Kultureinrichtung?

Kowalski: Klare Antwort: Ja.

Und wie sieht aus Ihrer Sicht die Zukunft des Kinos aus?

Kowalski: Das Kino sollte sich mehr öffnen. Da müssten Ausstellungen stattfinden, in diesen riesigen Foyers. Ich würde da Bilder hängen, Installationen stattfinden lassen, Kooperationen mit Museen – es gibt doch so Vieles.

Kommen sich die Kinos da nicht ins Gehege mit anderen Kultureinrichtungen in einer Stadt?

Kowalski: Die ganzen Kultureinrichtungen müssen zusammenarbeiten. Warum können die sich nicht gegenseitig unterstützen? Die Kultureinrichtungen trinken alle aus derselben Quelle. Die müssen sich einigen und sich zusammentun. Die müssen sich solidarisieren, sonst wird einer nach dem anderen weggespart. Insgesamt wird der Kulturbereich vernachlässigt. Wenn man es relativ betrachtet, was in einem Haushalt für Kultur ausgegeben wird, ist das minimal. Und es wird gespart und gespart und gespart.

Wie geht es jetzt bei Ihnen weiter? Werden Sie Theater machen oder Film?

Kowalski: Ich weiß nicht, was kommt. Ich habe gerade eine Komödie abgedreht. Der Film heißt „Ich bin dann mal offl ine“ mit Nina Kunzendorf als Mutter, die ihren Kindern das Internet entzieht. Ich spiele den Opa. Demnächst mache ich Lesungen mit meiner Frau zusammen in dem kleinen Haus „Euro Theater Central“ in Bonn mit Werken des walisischen Schriftstellers Dylan Thomas. Mal schauen...

Die Fragen stellte Herbert W. Rabl.

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